Wie devisen-handeln.org bereits zeitnah berichtete, hat die europäische Aufsichtsbehörde ESMA den Retail-Markt im letzten Jahr gehörig aufgemischt. Das Anbieten von Binären Optionen wurde komplett verboten, der Hebel im Forex- und CFD-Segment drastisch auf ein Maximum von 1:30 für Retail-Clients reduziert. Australien konnte sich seither als „safe haven“ für risikobereite CFD-Trader erweisen, die eine liberale Regulierung außerhalb Europas suchten. Doch nun ist auch hier der Hebel in Gefahr. Wird sich die ASIC den europäischen Anforderungen anpassen und über kurz oder lang den Hebel im Retail-Segment kastrieren?
ESMA 2018 würde laut einer Umfrage innerhalb der Traderszene mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Unwort des Jahres gekürt. Auch die britische Finanzaufsicht FCA hatte sich umgehend den ESMA-Regularien unterworfen und die neuen Standards begrüßt. Über die massiven Eingriffe in den Bereich des Retail-Handels wurde bereits ausführlich berichtet und diskutiert. Es dauerte nicht lange, bis Trader und Broker, die sich von der ESMA nichts vorschreiben lassen wollten, nach Alternativmethoden suchten, um weiterhin den Handel mit Hebeln von 1:200 oder 1:500 möglich zu machen. Neben einer Einstufung als sogenannter Professional Trader bei entsprechender Qualifikation und Expertise gab es plötzlich vermehrt die Nachfrage, sich über außereuropäische Standorte zu registrieren und so weiterhin einen hohen Hebel anzubieten. Doch nun scheint sich die Schlinge um die „australische Lösung“ immer enger zu ziehen.
Die ESMA sieht es mit Argwohn
Was sich jeder vernunftbegabte Mensch schon denken kann: Sinn und Zweck der ESMA-Regulierung war es nicht, die Trader in außereuropäische und potenziell unsichere Regulierungen zu treiben, sondern den Hebel für alle europäischen Retail-Clients (offiziell zu deren Eigenschutz) zu beschneiden. Folglich sieht die ESMA die Abwanderung europäischer Kunden in den außereuropäischen Bereich mit Argwohn.
Auch die ASIC könnte einknicken
Sicherlich, vordergründig kann sich die australische Brokerindustrie über den regen Zuwachs aus Europa und die damit verbundenen Mehreinnamen freuen – so auch der australische Staat. Bei Licht betrachtet hat jedoch auch die australische Regulierung ASIC einen bislang hervorragenden Ruf zu verlieren, nämlich den als harte aber gerechte Regulierungsbehörde. Das Land ist im Gegensatz zu anderen Offshore-Destinationen wirtschaftlich stabil und verfügt über eine hervorragende Infrastuktur sowie über ein funktionierendes Rechtssystem. Eine ASIC-Lizenz zu erhalten ist für Online-Broker kein Sonntagsspaziergang, sondern eine langwierige und kostspielige Sache. Von allen Anträgen für eine AFS-Lizenz wurden zwischen 2017 und 2018 gerade einmal 44% genehmigt. Als offizielles IOSCO-Mitglied (International Organization of Securities Commissions), zu der auch die deutsche BaFin gehört, wird sich auch eine ASIC früher oder später den internationalen Anforderungen beugen müssen, wenn sie ihren Ruf nicht gänzlich verspielen möchte. Vor dem Hintergrund, dass mit der ESMA, der BaFin und der FCA die angesehendsten Regulierungsbehörden weltweit an einem Strang ziehen, wird sie nicht lange die Augen verschließen können. Gemeinsam wird innerhalb dieser Organisation versucht, internationale Standards für den Bereich der Wertpapieraufsicht aufzustellen. Eine Schwemme von Retail-Kunden, die reihenweise nach Australien abwandern, um dort ihre Konten zu vernichten oder Binäre Optionen zu handeln, würde der Behörde gravierenden Schaden zufügen und sie wahrscheinlich im internationalen Vergleich stark schädigen. Die Frage, die derzeit im Raum steht lautet also: Wie lange wird die ASIC dem Treiben noch zusehen? Werden europäische Händler dauerhaft unbehelligt von ESMA und ASIC in Australien ihren Handel ausleben können?
Bislang gibt es keine Interventionen
Noch hat die ASIC keine Maßnahmen getroffen, die vergleichbar mit den neuen harten Regulierungen der ESMA wären. Anthony Griffin, der Managing Director des Online Brokers OANDA Australien sagt zur gegenwärtigen Situtation:
Derzeit wird Australien für Broker als sicherer Hafen angesehen. Wir glauben jedoch, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird.
Quelle: https://www.financemagnates.com/forex/analysis/will-asic-follow-esma-and-implement-leverage-restrictions/
Die Weichen sind bereits gestellt
So hat das australische Parlament bereits ein Gesetz verabschiedet, welches der ASIC weitreichende Maßnahmen einräumen kann, wie ein Verbot von hohen Hebeln oder Binären Optionen. Ob und wie künftig davon Gebrauch gemacht wird, steht derzeit noch in den Sternen.
Auswege für europäische Trader
Zunächst eines vorab: Es ist kein Verbrechen, mit hohem Hebel zu handeln. Es gibt gute Trader, die einen hohen Hebel geschickt nutzen, um ein kleines Konto schnellstmöglich hochzuziehen. Das Problem an der Sache ist nur, dass der Großteil der Trading-Amateure den hohen Hebel zum Zocken missbraucht und so die gesamte Margin schnell in den Sand setzt. Die „australische Lösung“, also die Registrierung über einen australischen Broker ist die denkbar schlechteste Lösung, die sich ein Trader einfallen lassen kann, um weiterhin mit einem höheren Hebel zu handeln. Denn weder greift in Australien für europäische Kunden die europäische Einlagensicherung noch fühlt sich die ASIC zuständig für europäische Kunden, wenn es um rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Broker geht. Die mit Abstand beste Lösung ist es wohl, sich unter den gegebenen Bedingungen über einen längeren Zeitraum mit solidem Handel im Echtgeld zu beweisen und eine Einstufung bei seinem europäischen Broker als Professional Trader anzustreben, um legal und unter europäischer Aufsicht in den Genuss des höheren Hebels zu kommen. Da der Futures-Markt von der ESMA-Regulierung nicht erfasst wurde, besteht auch die Möglichkeit, auf den Future auszuweichen und so von der weiterhin hohen Hebelwirkung zu profitieren. So kann man mit einem E-Mini-S&P-Kontrakt weiterhin $12,50/Tick bewegen und muss für den Kontrakt nur $400 Margin beim Broker hinterlegen.
Fazit
Die aktuell praktizierte „australische Lösung“ ist für viele Trader derzeit die bequemste Methode, weiterhin in den Genuss eines hohen Hebels von 1:300 oder sogar 1:500 zu kommen. Die Tendenz wird allerdings von den Regulierungsbehörden mit Argwohn beobachtet und niemand sollte sich wundern, wenn das schöne Leverage-Safe-Haven bald der Vergangenheit angehört. Händler mit Sitz in Europa sollten sich also zeitnah nach Alternativen umsehem, um in Fall der Fälle gewappnet zu sein und nahtlos weiter traden zu können.