Wer gedacht hat, dass die US-Wahlen mit der Nominierung des neuen Präsidenten gegessen sind, hat sich geschnitten. Die aktuell laufenden Senatswahlen entscheiden über das „Zünglein an der Waage“ im US-Senat und könnten den langjährigen „Grid-Lock“ beenden. Was bedeutet eine blaue Welle für die Märkte, insbesodere für Big Tech?
Einer von zwei demokratischen Kandiaten hat es bereits geschafft: Raphael Warnock von den Demokraten hat sich gegen die republikanische Amtsinhaberin Loeffler durchsetzen können (Stand: 06.01.2021 | 12:15h). Die zweite Stichwahl wird nun zur Zitterpartie: Schafft es auch noch der demokratische Kandidat Jon Ossoff seinen republikanischen Counterpart aus dem Rennen zu kegeln, wird der Senat komplett von den Demokraten dominiert werden und durchregieren können, ohne die üblichen und „lästigen“ Interventionen der Republikaner. Doch noch ist das Ergebnis offen und Donald Trump ist selbst kurz vor der Amtseinführung seines Kontrahenten weit davon entfernt, seine Wahlniederlage einzugestehen. Das Rennen ums Weiße Haus bleibt weiter spannend. Doch was ist für die Märkte zu erwarten, wenn der übliche Grid-Lock zwischen Republikanern und Demokraten am Ende wegfällt, und die Demokraten quasi durchregieren können?
Mehr Stimulus!
Es ist kein Geheimnis, dass die Demokraten grundsätzlich für mehr Stimulus stehen und die Gelddruckmaschine unter ihnen heiß laufen würde. Die monatelang diskutierte Erhöhung des Stimulus-Schecks für die Bevölkerung von 600 auf 2000 USD scheiterte letzten Endes nur an den Republikanern, genauer gesagt an Mitch McConnell, der es nur mit einem Trick im Senat schaffte, diese Erhöhung zu verhindern. Nicht zuletzt dieser Winkelzug war wohl wenig förderlich für das aktuelle Wahlergebnis in Georgia, denn die Bevölkerung geht in großen Teilen auf dem Zahnfleisch und möchte natürlich lieber mehr Stimulus als weniger. Nun kommt der höhere Stimulus natürlich am Ende auch den Unternehmen zu Gute, doch es gibt ein Problem, vor allem für Big Tech.
Elisabeth Warren greift Big Tech an
Noch hat Elisabeth Warren nicht viel zu melden, doch im Gegenzug für Nancy Pelosis Bestätigung als Parteivorsitzende wird Biden auch den linksradikalen Flügel bei der Besetzung wichtiger Positionen berücksichtigen müssen. Hier kommt Elisabeth Warren ins Spiel, die wohl größte Feindin der Big Tech-Konzerne Google, Amazon und Facebook. Sie wirft ihnen vor, durch Monopolisierung jegliches kreatives unternehmerisches Potenzial zu erwürgen und zu viel Macht an sich gerissen zu haben. Wie man auch einst Microsoft in die Schranken gewiesen hat, so könnte es jetzt auch den neuen Tech-Giganten an den Kragen gehen – und das nicht mal unbedingt zum Nachteil der Verbraucher.
Today’s big tech companies have too much power — too much power over our economy, our society, and our democracy. They’ve bulldozed competition, used our private information for profit, and tilted the playing field against everyone else. And in the process, they have hurt small businesses and stifled innovation. […] That’s why my administration will make big, structural changes to the tech sector to promote more competition — including breaking up Amazon, Facebook, and Google.
Quelle: https://medium.com/@teamwarren/heres-how-we-can-break-up-big-tech-9ad9e0da324c
Für die Zerschlagung dieser Großkonzerne, die in der Coronakrise nur allzu gut gelaufen sind, hat sie bereits Pläne in der Schublade. Natürlich ist die Besetzung Warrens mit einem wichtigen Posten wie dem Wirtschaftsministerium zum aktuellen Zeitpunkt pure Spekulation, doch der Markt spielt das Szenario bereits: Big Tech kommt unter die Räder, Dow Jones (Realwirtschaft) kann sich erholen.
Die Folgen einer blauen Welle
Kommt es tatsächlich zu einer „blauen Welle“ und einem Durchregieren der Demokraten, dürfte das den US-Dollar langfristig eher weiter schwächen, da Demokraten dovish sind und wenig Wert legen auf eine stabile Währung. Rohstoffe wie Gold, Silber und Öl sowie andere Sachwerte könnten dann von der Dollar-Aufweichung deutlich profitieren. Die klassischen Value-Aktien, wie sie im Dow Jones verteten sind, sollten es unter einem schwachen Dollar etwas leichter haben als die zuletzt gut gelaufenen Wachstumswerte, die dann von den Demokraten ins Kreuzfeuer genommen werden könnten. Wie bei den Präsidentschaftswahlen kann sich die Auszählung aber noch einige Tage hinziehen, da der Unterlegene Kandidat das Recht hat, eine Neuauszählung zu beantragen, wenn sich die Stimmendifferenz zum Sieger nur auf 0.5 Prozent oder weniger beläuft.