Dem Thema „Trading mit Saisonalitäten“ und damit statistisch auswertbaren Kursprognosen kann man sich von verschiedenen Seiten nähern. Zumeist versuchen wir, wie auf diesen Seiten schon mehrfach ausführlich beschrieben, die saisonalen Hoch- und Tiefpunkte eines bestimmten Wertes zu identifizieren und daraus im Trading Profit zu schlagen. Dabei bedienen wir uns der verschiedensten Hilfsmittel, wie unseres Seasonal MT5, der Trademiner-Software sowie des StereoTraders, mit dessen Hilfe wir ein sehr breites Ordergrid rund um unser saisonales Muster legen können. Denn eines muss man trotz aller Euphorie auch dazu sagen: Saisonalitäten funktionieren nicht immer, nicht in jedem Wert gleich gut und zusätzlich können sie sich auch noch zeitlich verschieben, wenn immer mehr Trader versuchen, eine bestimmte Saisonalität zu antizipieren. Doch saisonale Muster lassen sich auch anders auswerten. Larry Williams war hier zum Beispiel mit seinem TDOM der Vorreiter. Beim „Trading Day of the Month“ hat er analysiert, an welchem Wochentag ein bestimmert Wert besonders gerne gekauft oder verkauft wird, ausgewertet über einen sehr langen Zeitaum. In diese Richtung geht auch der TOM-Effekt, unsere heute besprochene saisonale Marktanomalie.
TOM-Effekt steht für Turn of the Month und beschreibt eine saisonale Marktanomalie, die sich rund um den Monatswechsel abspielt – und zwar um den Monatswechsel jedes Monats. Dabei ist diese Anomalie natürlich nicht jeden Monat gleich stark, sondern schwankt von Monat zu Monat. Erstmals wurde diese Marktanomalie in den 70er-Jahren vorgestellt, in dem Buch „Stock Market Logic“ von Norman G. Fosback. Die erstaunliche Erkenntnis aus dieser Untersuchung war, dass die Performance des US-Aktienmarktes am letzten Tag eines Monats und in den ersten vier Tagen des Folgemonats am größten war.
So errechnete Fosback einmal die Performance, die man zwischen 1928 und 1975 mit einem Investment von 10.000 Dollar an nur diesen fünf Handelstagen erreicht hätte: Es wären 572.020 US-Dollar geworden. Hätte man diesen Betrag nur außerhalb dieser Tage an der Börse geparkt, wäre ein Totalverlust entstanden und nur noch 900 Dollar übrig geblieben.
„Olle Kamellen“, könnte man jetzt sagen aufgrund der lange zurückliegenden Untersuchungen, doch auch neue Statistiken untermauern diese Kapitalmarktanomalie. Eine im Jahr 2006 durchgeführte Studie, die den letzten Handelstag des alten und die drei ersten Tage des neuen Monats berücksichtigten, kam zum selben Ergebnis: der durchschnittliche Ertrag an diesen vier Handelstagen betrug 0.473 Prozent, während der Monatsdurchschnitt nur bei 0,349 Prozent lag (Quelle: Equity returns at the turn of the month, Xu, Mc Connell). Auch hätte ein DAX-Investment zwischen 2008 und 2013 am jeweils letzten Handelstag eines Monats bis zum dritten Tag des Folgemonats eine Performance von nicht weniger als 1222 Punkten erbracht.
Angesichts solch eindeutiger Auswertungen fragt man sich natürlich: Woher kommt diese saisonale Marktanomalie zum Monatswechsel? Die Wissenschaftler haben hier mehrere verschiedene Theorien, die alle zu keinem abschließend sicheren Ergebnis kommen. Wahrscheinlich ist aber, dass der TOM-Effekt durch die Zahlung von Löhnen, Gehältern, Zinsen und Dividenen ausgelöst wird, da das Geld im Anschluss zu einem Teil im Aktienmarkt landet. Auch werden Aktien- und Fonds-Sparpläne oft zum ersten eines Monats ausgeführt, was den Aktienmarkt logischerweise massiv nach oben treibt. Derzeit kommen massive Liquiditäts-Injektionen der Notenbanken dazu sowie ein gewisser Anlagenotstand von Investoren, die im Zeitalter von Negativzinsen nicht mehr wissen wohin mit ihrem Geld und ihr Wohl im Aktienmarkt sehen.
Da der TOM-Effekt nicht jeden Monat gleich stark ist, lohnt sich ein Blick in die Statistik um zu sehen, dass sich hier der Januar und die Monate November und Dezember besonders hervortun. Wenig überraschend, immerhin spielen sich innerhalb dieses Zeitraums die größten Performance-Schübe an unseren Aktienmärkten ab. Aber auch während der Sommermonate wurde eine ganz gute Durchschnittsrendite mit dem TOM-Effekt erzielt. Natürlich kann der Trader den TOM-Effekt so nutzen, dass er eher 3-4 Tage vor einem Monatswechsel den Long-Trade sucht, um am 3. Tag des neuen Monats die Position wieder glattzustellen. In der Praxis hat es sich aber auch als hilfreich erwiesen, zumindest rund um den Monatswechsel die Shorts sein zu lassen und nicht verzweifelt gegen einen steigenen Markt anzukämpfen. Dennoch darf auch bei dieser saisonalen Marktanomlie der obligatorische Risiko-Hinweis nicht fehlen: Es ist keinesfalls garantiert, dass der TOM-Effekt jeden Monat auftritt und dass das immer so bleibt. Wer mit saisonalen Statistiken handeln möchte, sollte dringend weitere Analysemethoden hinzuziehen, wie Fundamentalanalyse, Technische Analyse und/oder Volumen-Analyse, um sein saisonales Bild in Einklang mit der aktuellen Trendstruktur zu bringen. Letzten Endes funktionieren Saisonalitäten und saisonale Marktanomalien nur dann, wenn man sie beständig handelt und natürlich mit einem entsprechenden Risiko-Management versieht.
Theoretische Ausführungen sind im Trading schön und gut, doch wie in die Praxis umsetzen? Für den Monatswechsel Oktober/November habe ich mit einem sehr starken TOM-Effekt gerechnet, statistisch betrachtet ist er mit rund 0,8% Rendite im Dow der zweitstärkste nach dem Januar. Außerdem fehlte mir im Oktober bereits eine zweite Abwärtswelle, was auf eine extreme Stärke des Marktes hindeutete. Es war schlichtweg keine Trendwendeformation nichtmal am Horizont erkennbar, auch wenn die Oszillatoren natürlich überkauft sind. Die Warnzeichen für einen massiven Ausbruch in Long-Richtung waren so deutlich, dass ich sogar auf Twitter die Perma-Bären davor warnte, sich hartnäckig gegen diesen starken Aufwärtsdruck zu stellen und immer wieder reinzushorten. So etwas tue ich nur selten und auch nur dann, wenn ich mir zu mindestens 90% sicher bin mit einer Markteinschätzung, denn letzten Endes ist jeder selbst für sein Handeln verantwortlich:
In der Folge baute ich mithilfe meines Trendfolge-Systems „Reaper“ Long-Positionen auf, um beim Ausbruch direkt dabei zu sein und von der massiven Long-Welle mitgenommen zu werden.
Zusätzlich zum TOM-Effekt kommt beim Monatswechsel Oktober/November eine zweite Kapitalmarktanomalie, die den Aufwärtsdruck weiter verstärkt: der sogenannte Halloween-Effekt. Dieser besagt, dass der erste Handelstag nach Halloween ein guter Zeitpunkt ist um Aktien zu kaufen, da nun eine positive saisonale Phase beginnt in welcher der Aktienmarkt statistisch betrachtet am besten performt. Diesen Effekt habe ich bereits ausführlich in einem Video-Tutorial zum Thema Crash und Saisonalitäten ausführlich erklärt.
Selbst wer den Handel von Saisonalitäten und anderen saisonalen Kapitalmarktanomalien für totalen Hokuspokus hält und nicht an ihre Wirkung glaubt, sollte sich einmal näher mit diesen Phänomenen beschäftigen. Auch wenn man dieses Wissen nicht zwangsläufig dazu nutzen muss um Geld zu verdienen, kann es hilfreich sein, wenigstens nicht permanent in der falschen Richtung unterwegs zu sein und dadurch unnötig Geld zu verlieren. Der TOM-Effekt ist eine statistisch beweisbare Kapitalmarktanomalie, die ihre Ursachen im Wesentlichen aus fundamentalen Gründen speist. Technische Analysemethoden und Oszillator-Indikationen werden durch solche Phänomene recht schnell und deutlich ausgehebelt.
Dieser Artikel wurde zuletzt bearbeitet am 7. November 2019 13:54
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